Aline
Aline war allein. Und das war auch gut so. Denn Aline wollte
sich niemandem unterordnen, wollte für keinen die Verantwortung übernehmen und
wollte sich ganz einfach nirgends anpassen müssen. Das musste sie auch Björn
sagen. Klare Sache von Anfang an. Das war nichts als fair, dachte Aline. Die
Männer wollen ja doch früher oder später alle das Eine und daher war es besser,
sich früh genug abzusichern. Denn ihr Nachbar Björn war wirklich nett und Aline
war gerne mit ihm zusammen. Seit ein paar Tagen war das schon so und Aline
machte sich darüber ihre Gedanken. Es schien ihr doch ziemlich naheliegend,
dass sich Björn zu ihr hingezogen fühlen musste, wenn er freiwillig so viel
Zeit mit ihr verbrachte. Darum verhielt sie sich auch immer mehr und öfter kratzbürstig,
distanziert, kühl, überlegen und was ihr sonst noch so einfiel, was Männer
nicht mögen. Auf Björn schien es jedoch keinen Eindruck zu machen. Er lächelte
sie jedes Mal auf seine freundlich-geduldig-und-alles-verstehende Art an. Und
das Beängstigendste am Ganzen: Irgendwo in ihrem Innersten machte es eines
Tages ganz leise ‚Knack‘ und sie fühlte, dass etwas zu schmelzen begann.
Darum jetzt oder nie: „Ich bin gerne allein, Björn. Bei mir brauchst du dir gar keine Chancen auszurechnen.“
„Tu ich das?“ Und wieder dieses Unschuldslächeln!
„Ich wollte es nur gesagt haben, für den Fall dass.“
„Ah, ok, für diesen Fall werde ich es mir merken.“
Nichts. Keine Fragen, keine Diskussion, keine Unruhe, Enttäuschung, Nervosität, nicht einmal ein süffisantes Lächeln. Das Schmelzen in ihrem Innern erstarrte zu dem gewohnten zähflüssigen kalten Brei, den sie so gut kannte. Sie hatte es ja gewusst. Männer.
Darum jetzt oder nie: „Ich bin gerne allein, Björn. Bei mir brauchst du dir gar keine Chancen auszurechnen.“
„Tu ich das?“ Und wieder dieses Unschuldslächeln!
„Ich wollte es nur gesagt haben, für den Fall dass.“
„Ah, ok, für diesen Fall werde ich es mir merken.“
Nichts. Keine Fragen, keine Diskussion, keine Unruhe, Enttäuschung, Nervosität, nicht einmal ein süffisantes Lächeln. Das Schmelzen in ihrem Innern erstarrte zu dem gewohnten zähflüssigen kalten Brei, den sie so gut kannte. Sie hatte es ja gewusst. Männer.
Von diesem Tag an war Aline einfach Kumpel. Björn auch. Sie
gingen zusammen rudern, machten Wanderungen, spielten Bowling, verbrachten
ganze Abende an ihrem oder an seinem Küchentisch, lachten, diskutierten über
Politik, Psychologie, ihren Alltag oder ihre Vorstellungen vom Leben. Und als
Björn eines Abends von einer neuen Arbeitskollegin erzählte, die er sehr nett fand,
hörte Aline es wieder. Knack. Aber diesmal wurde aus dem Brei ein Eisklotz.
Björn hatte keine Ahnung, warum Aline plötzlich keine Zeit
mehr hatte. Entweder war das Wetter nicht gut genug, oder sie hatte zu viel
Arbeit oder Kopfschmerzen oder bereits etwas anderes vor. Nur ganz selten
konnte sie nichts vorschieben, wenn er gerade zur Stelle war, wenn sie nach
Hause kam. Und schliesslich sah er sie nur noch, wenn die Sonne ihr
allerschönstes Lächeln hervorbrachte und Aline draussen auf dem Balkon ihre Beine
ausstreckte. Dann sah er ihr vom oberen Balkon aus zu und fragte sich, was er
wohl falsch gemacht haben könnte. Aber er war schlau genug, sich selbst zu
fragen. Und er fragte sich gut und akribisch genau. In der Erinnerung ging er
die letzten paar Tage mit ihr durch, verfing sich im letzten Gespräch und
drehte und wendete jeden Satz, den er gesagt hatte. Und auf einmal war ihm
alles klar. Das war es! Sie war eifersüchtig! Dabei war jene Mitarbeiterin so
hohl wie hübsch und so nervig wie nett. Er war nie mehr dazu gekommen, Aline
von dieser Erkenntnis zu berichten, die er schon am darauffolgenden Tag machen
musste. Das war des Rätsels Lösung! Doch wie weiter?
Als Aline unter ihrer Tür eine weisse Ecke von einem
Umschlag durchblitzen sah, klopfte ihr Herz urplötzlich bis zum Hals. Das hörte
auch nicht auf, als sie las: „Liebe Nachbarin. Mein Küchentisch verzehrt sich
nach deiner Anwesenheit. Meine Katze will nicht mehr fressen. Meine
Wanderschuhe setzen Grünspan an und mein Terminkalender gähnt vor Langeweile.
Aber ich sage ihnen immer wieder, dass du gerne allein bist und uns alle nicht
brauchst. Sie wollen es mir nicht glauben. Was soll ich nur tun? Björn.“
Knack! Diesmal war es nicht zu überhören und weder
aufzuhalten noch kalt zu kriegen. Aline schmolz. Sie sass in ihrer Küche, mit
dem Brief in der Hand und floss förmlich davon. Sie hörte weder das Klopfen an
der Tür noch das Knarren der Dielen, spürte nur noch die warme Hand auf ihrer
Schulter, die Finger, die ihr sanft die Haare aus dem nassen Gesicht strichen,
den Kuss auf ihren Lippen, die Arme, die sie ins Schlafzimmer trugen und Björn,
den sie nie mehr loslassen wollte.
Oh Dodo! Das ist so wunderschön erzählt! Da schmelze ich dahin! Sowas mag ich! Klasse. Danke dir! Das inspiriert mich frisch und fröhlich in den Tag zu starten.
AntwortenLöschenAlles Liebe dir
Laura
Danke Laura! Dein Lob freut mich!
AntwortenLöschenHerzlich
Dodo