Dienstag, 26. Juli 2011

Von Vasen und Blumen

Ich kann euch beruhigen: Bin wieder obenauf.
Eigentlich seltsam, wo doch erst heute Morgen mein geliebter Vater in seiner irdenen Blumenvase zwischen all den Kranzblüten im Boden verschwunden ist, von Rosenblättern bedeckt und Gottes Segen begleitet, er, der diese Worte sicher geduldig hätte über sich ergehen lassen, um nachher seine sarkastischen Sprüche über den Pfarrer loszulassen. Aber irgendwie hat doch dieses Ritual  - und auch die Worte - einen Abschluss gebracht, ein Loslassen begünstigt, war die Stimmung nachher wesentlich gelöster, freier, obschon immer noch traurig, aber anders als nach der offiziellen Feier - intimer, privat. Und dann hat man sich im Sonnenschein noch ein bisschen auf dem Friedhof bewegt, Gräber betrachtet, Blumenschmuck und Grabsteine beurteilt und - das Handy wieder aktiviert. Richtig, nicht nur eines von uns hat das beobachtet: Plötzlich waren die Gerätchen wieder in aller Hände. Weiter geht's! Das Leben hat uns wieder.

Nach einem guten, schon fast wieder fröhlichen Essen im Kreise der vertrauten Familie, in einem Rrestaurant mit gewaltigen Orchideen, die ganz bestimmt künstlich sein mussten - aber echt waren - ging Rolf wieder an seine Arbeit im Laden. Ich fuhr noch mit meinen Töchtern ins Elternhaus, um uns nochmal mit der aufzulösenden alten Umgebung zu versöhnen und der neuen vertraut zu machen. Gar nicht einfach, wenn überall noch der väterliche Geist drinsteckt - aber plötzlich ging's. Zimmer für Zimmer bekam eine andere Bestimmung, eine andere Farbe vielleicht und die Dinge wie auch die Pflanzen wurden in Gedanken ausgemustert, neu platziert oder innerlich losgelassen. Sogar im Garten wurde umstrukturiert und Sträucher und Blumen gepflegt. Gedanklich nur, versteht sich. Wer das dann macht, ist noch nicht abschliessend ausgehandelt. Es wird wohl mir "blühen".
Als ich dann auch in den Laden  kam, war schon meine Schwester dort und rang mit sich, ob sie nun jene grosse grüne Vase kaufen wolle oder nicht. Gelöst und zu Scherzen aufgelegt verabschiedeten wir uns bis morgen - zum grossen Räumen im Elternhaus.
Später erzählte mir Rolf schmunzelnd, dass sich eine amerikanische Touristenfamilie für die weissen Rosen draussen interessiert hätten. Mit Händen und Füssen konnte er ihnen klarmachen, dass diese nur zur Dekoration der Vase gedacht seien und sie zogen enttäuscht davon. Dass die wunderschönen, wirklich echt wirkenden Blüten aus dem schwedischen Einrichtungshaus stammen, konnte er ihnen ja nicht sagen. Schade nur, dass diese für die eigentlichen Rosenvasen zu gross sind. Dafür muss er immer wieder frische kaufen, die halt auch entsprechend rasch wieder verwelken.
Ich schlenderte dann auch noch ein bisschen für mich alleine, sofern man das in einer grossen angeregten Stadt voller Leute sein kann, gemütlich durch die Gassen bis hoch zum Kaufhaus am Bahnhof. Weil ich am Kundendienst was erledigen wollte, liess ich mich Treppe für Treppe hochfahren und sah: Rosen! Wunderschöne, im Bund extrem teure, aber perfekte Rosen! Nach einigem Suchen sah ich, was ich erhofft hatte: Dass einzelne erhältlich und vor allem absolut bezahlbar waren. Nicht teurer als eine Spitzenrose aus dem Blumenladen oder eineinhalb Bund Moosrosen aus dem Aldi, aber haltbar bis in alle Ewigkeit. Sogar mit Duft! Die brachte ich meinem Ladenbetreiber mit, der inzwischen schon mit meinem Bruder in ernsthaften Verhandlungen und angeregtem Gespräch über Einrichtung und Glasherstellung stand. Da steht sie nun einstweilen in einer viel zu grossen Vase ohne Wasser, meine Teerose ... aber heute war ja sowieso alles ein wenig verkehrt ...

Montag, 25. Juli 2011

müde

Nein, es liegt nicht nur am Tod meines Vaters. Die Müdigkeit, die sich in mir breit macht, zeichnet sich schon länger ab, wurde vertröstet auf die Ferien, wo sie sich dann endlich mal breitmachen dürfe, bekam dann wie gesagt noch eins oben drauf und ist jetzt, wo ich in der Halbzeit der Ferien langsam wieder ans Hochfahren denken sollte, daran, so ziemlich alles zu überdecken. I mag eifach nit! Was hier so humorvoll rüberkommt, ist nicht nur Faulheit, sondern die Umschreibung einer ausgewachsenen Depression. Noch glaube ich genügend Energie zu haben. Aber mit dem Ausspannen in diesen Ferien war es mit den gefühlsmässigen Schleudertraumas definitiv nichts und ich sehe auch für den Rest immer nur noch neue Berge und fühle mich, als ob ich auf einer langsam schmelzenden Eisdecke von Scholle zu Scholle springen müsste. Jeder der Erholung verschriebene Tag klopft an mein schlechtes Gewissen und dieses rechnet automatisch aus, wie viel Zeit mir nur noch bleibt, um all das Liegengebliebene und Aufgeschobene jetzt endlich doch noch zu erledigen und vor allem auch, dass dies eigentlich gar nicht mehr möglich ist. Zeit für Trauer? Ich bin ja gar nicht traurig ... doch natürlich bin ich's ... Aber es ist ja gut so, das entspricht meiner Weltanschauung und meinem Erleben. Es ist nur alles wieder so anders. Schon wieder anders. Immer wieder anders. Nie einfach mal Ruhe, Ordnung, Alltag, Basis... Sicherheit - wobei ich ganz genau weiss, dass ich, wenn es so wäre, auch alles gleich selbst wieder über den Haufen werfen würde, um mich lebendig zu fühlen. Nur sehr lebendig fühle ich mich im Moment gerade nicht. Danke, dass ich dies hier auch mal loswerden kann... Bitte keine Beileidsbezeugungen, keine tröstenden Aufmunterungsversuche. Es ist wie es ist und das hat seinen Grund und seinen Platz. Ich komm schon wieder hoch.

Freitag, 22. Juli 2011

Sterben ist ein bisschen wie Abschied

An Beerdigungen war ich schon mehrmals. Ich mag es nicht. Man weiss nicht, wie man reagieren soll. Diesmal war es anders, es war mein Vater, der da lag, von dem ich den Anwesenden aus seinem Leben vorlas - mit Kloss im Hals und hart an der Grenze der inneren Fassung. Es war schwer - und es war auch schön. Schön, diese Gefühle zu haben, auch wenn sie mich fast nicht mehr atmen liessen, schön, diese Worte zu hören, die mir umgekehrt immer so leer und floskelhaft vorgekommen waren ... sie waren es nicht. Sie waren ehrlich, aus tiefstem Herzen; einige Anwesende erzählten von ihrer eigenen Beziehung zum Verstorbenen, ich wurde zur Zuhörerin, wenn nicht gar zur Trösterin. Zumindest aber merkte ich, wie viel Liebe, Achtung, Freundschaft und Verbundenheit sich im Laufe eines Lebens ansammelt und sich auch über die Angehörigen erstreckt, wenn sie die versammelten Gäste an ihren Gefühlen teilhaben lassen und ihren Schmerz sichtbar machen. Es war eine warme, wohlwollende Gemeinschaft and dieser Zusammenkunft, die zwar das Herz abdrücken wollte, es aber gleichzeitig gross und weit machte und meinen Vater noch einmal wie auf einer grossen Welle der Wärme emporhob und mit sich fort trug. Fort und doch zurück in unsere Herzen, in unser Empfinden, in unsere Erinnerung und dort wieder lebendig wurde.
Ich bin erschöpft, aber dankbar, dass wir als Familie diesen Zusammenhalt erleben dürfen, diese echte ehrliche Anteilnahme und ich werde Trost von jetzt an als etwas ganz Anderes, als etwas Wichtiges und Schönes erleben und auch zu geben versuchen, nicht mit Floskeln, sondern einfach nur im Da-Sein und Begleiten. In tiefer Dankbarkeit.
Doris

Sonntag, 17. Juli 2011

Danke

Danke für das Leben,
das du mir gegeben.
Danke für die Hand auf meinem Bauch
und danke für die Wärme auch.
Danke für die Speise,
auf verschied'ne Weise.
Danke für die Hilfe jeder Art
und danke für manch gute Fahrt.
Danke fürs Vertrauen,
auf das konnt' ich bauen.
Danke fürs Erdulden von so viel,
das dir gar nicht so gefiel.
Danke fürs Begleiten
durch des Lebens Weiten.
Danke für dein gutes Vater-Sein.
Den Rest nun gehe ich allein.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Ein kommunikativer Tag

Heute war ich allein zu Hause, aber es hat richtig Spass gemacht. Facebook sei Dank. Über eine Fanseite bei einem Kollegen einer Kollegin oder so kam mir die Idee nach einem bestimmten Namen zu suchen, an den ich sonst wohl kaum gedacht hätte, der mir aber in diesem Zusammenhang jedesmal einfällt: Ein ehemaliges Mitglied einer bekannten Schweizer Mundartband, den ich als Teenager kannte. Gesucht - gefunden - angeklickt - angenommen! Und sofort entspann sich ein angeregtes Mail-Gespräch. Nach dreissig Jahren! Ergreifend und spannend! Erzähl mir dein Leben in 50 Zeilen; so ungefähr.
Dann endlich machte ich mich auf in die Stadt, um dringendst Kaffee zu besorgen und zudem Rolfs Telefonanschluss im Laden zu organisieren - und laufe fast in die Arme eines ehemaligen Kollegen. Abermals fasste ich die letzte Zeit, so fünf Jahre,  in Kurzform zusammen und erhielt die seinen entsprechend. Lustig und vertraut! Schön dich getroffen zu haben und mach's gut ... und ab zum Telefonbetreiber. Tja, wie erkläre ich dem jetzt, was ich brauche? Ok, er hat's verstanden und wir finden eine absolut coole Nummer für den Laden: Rolfs Jahrgang, unser gemeinsamer Geburtstag und mein Jahrgang! Jetzt muss ich ihm nur noch die alte Nummer des Ladens mitteilen - ehm, habe ich nicht. Und Rolf sitzt sicher da unten in der Höhle und sein Handy hat keinen Empfang. Ich versuch's trotzdem. Ha! Einmal Klingeln und er nimmt ab. Ja, die Nummer hat er. Das heisst, es braucht nur noch einen Klick und die Sache klappt - nicht! Die coole Nummer ist weg!!! Nicht mehr zu finden - verschwunden!!! Wir spielen noch eine ganze Weile Lotto im System, aber die begehrte Nummer erscheint nicht mehr. Schliesslich entscheide ich mich halt für eine andere. Schade :-( Aber irgendwie hat's dennoch Spass gemacht - vor allem dem Verkäufer :-) Wer kann schon beim Arbeiten gambeln?
Tja, und nun tun mir die Füsse schon weh, bevor ich mit dem Hund draussen war ... immer noch, vom Laden einräumen, aber schon etwas weniger. Morgen gilt's wieder ernst - ich übernehme! Aber eins ist klar: Ich nehme einen Stuhl mit, auf dem ich mich oben in die Laube setzen und die Sonne geniessen kann, wenn sie denn endlich wieder scheint! Und vielleicht besucht mich ja jemand. Ok, ich nehme zwei Stühle mit :-D

Sonntag, 10. Juli 2011

Ich werde gelesen

"Pass auf, was du schreibst", habe ich meine Kinder immer ermahnt, "man weiss nie, wer das alles liest. Das Netz ist unergründlich."
Ja, und nun ruft mich jemand an, mir völlig unbekannt, der das Haus mieten möchte! Ich hab's noch nicht mal ausgeschrieben! Woher wissen die denn das? Schnell ist es geklärt: Aus meinem Blog!!!
Was lerne ich daraus? Erstens: Siehe oben! Und zweitens: Ich sollte wirklich von diesem Medium mehr und vor allem gezielter Gebrauch machen. Es ist kein leerer Zeitvertrieb, sondern kommt tatsächlich irgendwo an.  Da draussen sind Leute, die mein Geschreibsel mitverfolgen, darüber nachdenken und darauf reagieren. Herrlich!
Einen Wunsch habe ich: Wenn ihr hier herumlest und eventuell daran Gefallen findet, was ich schreibe, seid doch so mutig und gebt mir ein kleines Zeichen in Form eines Kommentars. Das würde mich freuen, und auch meine Freude am Schreiben wieder etwas entfachen. Denn was den Blog vom Tagebuch unterscheidet, ist ja genau das, die Kommunikation, das Gefühl, gelesen zu werden!