Dienstag, 30. August 2011

Geduld ist eine Tugend

Es gibt vieles, das ich kann, einiges sogar erstaunlich gut. So sagt man mir zum Beispiel nach, ich sei die Ruhe selbst - obwohl ich mich in den entsprechenden Momenten meist innerlich alles andere als ruhig empfinde. Oder meine Umgebung staunt, was ich alles gleichzeitig oder innerhalb von kurzer Zeit auf die Reihe bringe. Dass ich dabei völlig unter Strom stehe und meine Ressourcen bis zum letzten Tropfen aussauge, fällt nur meinen besten Freunden und meiner engsten Familie auf, weil ich es da einfach nicht mehr verbergen kann. Die versuchen mich dann irgendwie zur Erholung zu zwingen. Was aber relativ schwierig ist, denn was ich wirklich ganz schlecht kann, ist nichts tun.
"Was?", höre ich schon wieder einige Stimmen verwundert fragen, "du, die alles erst im letzten Moment erledigt und seelenruhig sitzenbleibt, während andere schon längst den Tisch abräumen? Du, die immer zu spät kommt? Du, die alle andern um dich herum beruhigst und sagst, es kommt schon gut, habe nur Geduld?"
Ja, ich. Warum komme ich zu spät? Weil ich sonst warten muss :-) Jedesmal, wenn mir das passiert, merke ich, wie sehr mir diese Warterei gegen den Strich geht. Ich warte darauf, dass es endlich mal läuft, wie ich's will, dass sich meine Vorstellungen verwirklichen, dass meine Kasse stimmt, dass ich im Lotto gewinne (da kann ich allerdings lange warten, wenn ich nie spiele), dass sich meine Freunde bei mir melden, dass jemand meinen Haushalt schmeisst, meine Wäsche bügelt, für mich einkauft - und manchmal habe ich ja Glück. Aber meist werde ich dabei nur "grantig", wie der Österreicher so schön sagt. Oft starte ich einige Versuche, es selbst rasch zu erledigen, was meist nicht klappt, weil's schon zuviel ist, und gebe irgendwann einfach auf. Die meiste Zeit verbringe ich allerdings damit, darauf zu warten, dass ich mehr Zeit habe. Zeit zum Schreiben, Zeit um ins Kino zu gehen, Freunde einzuladen, Ferien machen, einfach Zeit... Was aber wohl nie klappen wird, weil ich, wenn ich welche habe, sie sofort fülle mit all den Dingen, die schon lange darauf warten, erledigt zu werden, bzw. mit den Vorwänden, um jene nicht machen zu können - oder weil ich so viel leere Zeit gar nicht aushalte. Sie erinnert mich zu sehr ans unproduktive Warten. Was in der Zeit alles hätte gemacht werden können!? Also fülle ich sie mit so unsagbar wichtigen Sachen wie facebook-Kontakte pflegen, Stapel von einer Ecke in die andere räumen, mich darüber ärgern, dass ich keine Zeit habe.... schlafen! Das ist schliesslich eine Notwendigkeit, die mir mein Körper aufzwingt, das rechtfertigt diese Untätigkeit. Am liebsten schlafe ich am Nachmittag oder nach dem Mittagessen - was aufs Gleiche rauskommt, denn wenn ich mal schlafe, dann kann's dauern. Abends allerdings - ein Überbleibsel aus der Zeit mit kleinen Kindern, die erst ab acht Uhr ruhig waren - abends nutze ich die Zeit. Zum noch all das rasch erledigen, wozu ich vorher keine Energie mehr hatte, zum Pflegen meiner Facebook-Sucht, zum Solitaire spielen, um nicht leer warten zumüssen, bis ich müde genug bin, um meine Gedanken schlafen zu legen. Und ich warte auf den Moment, in dem ich wirklich alles in kurzer Zeit auf die Reihe bringe und wirklich diese Ruhe habe, die ich ausstrahle. Geduld ist eine Tugend - für mich ist sie eine Lebensaufgabe. Ein Widerspruch in sich selbst.

7 Kommentare:

  1. so irgendwie.... fühle ich mich ertappt, erkannt, beschrieben... zumindest, was das "Warten" angeht.
    Dazu kommt bei mir aber noch eine unterschwellige Panik, dass frau ja nun so langsam eigentlich immer weniger Zeit zum Warten hat....

    sei dedrückt!
    bussi
    mo

    AntwortenLöschen
  2. Ja. Es gibt Millionen und aber Millionen Gründe etwas nicht zu tun, oder tun zu wollen. Der einzige es doch zu machen, hat da manchmal von der Übermacht der Abermillionen Konkurenten, gar keine Chance, wird quasi einfach schon im Ansatz des guten Willens pulverisiert, zermalmt. :( Und oft ist auch die "Eisdecke" zwischen bewusstem Verstehen und entsprechendem "Unverständnis" ziemlich dünn. Sprüche wie:"..das schaffen wir schon irgend wie..." stimmen zwar meistens, sind aber von ihrer Aussage her ziemlich gefährlich. Man verlässt sich zu sehr auf das Verständniss und Mitgefühl der anderen, baut vielleicht sogar darauf, weil es ja irgend wie immer wieter geht. Aber am Ende ist es so wie du schön sagtest. Wir sind irgend wie doch alle weder anders, noch besser. Sind wir nicht alle ein wenig "Bluna"? ;-)
    Es geht weiter. :D

    Ein etwas nachdenklicher rolf

    AntwortenLöschen
  3. Liebe mo,
    na, Trost ist mir das ja keiner... Oder soll ich etwa sagen: "Schön, dass es dir auch so geht"? Ich wünsche dir ganz einfach auch mehr Gelassenheit - und dass dir die Zeit vor dir noch lange nicht ausgeht!
    :-)

    Lieber Rolf,
    danke, dass du heute so offen über diese dich ebenfalls bedrängenden und schwächenden Ängste gesprochen hast. Dein Vertrauen hat mir Kraft gegeben und ich sehe auch, dass ich dir welche zurückgeben konnte. Wir haben angefangen, die ganze Sache etwas zu struktuirieren und so sieht alles schon ein wenig überblickbarer und auch durchführbarer aus. Es wird schon! Und das meine ich ehrlich zuversichtlich!

    AntwortenLöschen
  4. Hallo liebe Dodo,
    ich glaube, Du sprichst damit vielen aus dem Herzen. Irgendwie rennt einem die Zeit davon und wenn man sich mal welche nimmt - zum Beispiel zum Herumdösen oder zum Mittagsschlaf, dann hat man fast ein schlechtes Gewissen, weil so vieles liegen geblieben ist.
    Und doch ist es wichtig, innezuhalten und mal langsam zu machen.
    Die Zeit während man wartet positiv zu sehen, zu entspannen und nichts zu tun - das kann ich allerdings auch nicht. Mein Mann hat den Bogen schon eher raus und zwingt mich manchmal fast dazu. So hat ein in sich ruhender Mensch einen großen Wert.
    Auch wenn der Schein bei Dir trügt und es gar nicht so ist, hast Du wohl auf andere Menschen diese beruhigende Wirkung. Schon mal ein guter Anfang...
    Du kennst sicher das Sprichwort, in der Ruhe liegt die Kraft.
    Schönen Gruß von einer unruhigen Person! Xammi

    AntwortenLöschen
  5. Liebe Xammi
    ja, die Wirkung habe ich wohl... ohne eine Schlaftablette zu sein, zum Glück! :-)

    Tja, und manchmal, so wie heute, versuche ich aus der Ruhe herauszukommen... es geht los, wir sind in den Startlöchern - Aber wie kommen wir da wieder raus?
    ;-)

    Herzlich
    Dodo

    AntwortenLöschen
  6. Liebe Dodo,

    irgendwo erkenne ich dein Problem nur zu gut bei mir wieder. Immer wieder denke ich "du wolltest doch noch das dies und jenes tun" - "warum schreibst du nicht endlich mal deinen Roman fertig" - "warum fängst du nicht endlich an mit Zeichnen, wenn du es doch so gerne lernen möchtest". Ich nehme mir einfach zu wenig Zeit für diese Dinge und schiebe sie immer wieder bei seite. Alles mögliche kommt mir dazwischen und wenn es so etwas wie Chatten ist oder aufräumen, statt die Sachen mal einen Tag liegen zu lassen und die Ruhe eines abends zu nutzen.
    Und dann ist schon wieder der Abend vorbei. Müde von der arbeit habe ich mich wieder mal nicht aufgerafft, sondern falle eigentlich nur noch ins Bett...

    Ich hoffe wir beide finden einen Weg, endlich die Dinge zu tun, die wir schon lange tun wollten und immer noch tun wollen.

    Alles Liebe

    Laura

    AntwortenLöschen
  7. Ja, liebe Laura, irgendwas machen wir falsch ... und auch wieder irgendwas richtig, denn sonst wären wir nicht bis hierher gekommen. Und wir wüssten auch nicht, wie es denn sein müsste, sondern würden einfach stumpf vor uns hin vegetieren. Also schlummert sie nur, unsere Kreativität und unsere Lebensfreude. Es kann doch nicht so schwierig sein, sie wieder rauszulassen und zum Leben zu erwecken ...

    AntwortenLöschen